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Auszeit in der Finnmark

09.05.2023 - ?


In Olderfjord traf ich erneut jemanden, der sein Herz am richtigen Flecken hatte. Er bot mir an, mich bis nach Alta in die Klinik zu fahren, dieses mal nahm ich das Angebot an und beschloss mich dazu, über meinen eigenen Schatten zu springen und mein Stolz hinunter zu schlucken.


Nach mehreren Stunden des Wartens, teilte man mir mit, dass weder MRI noch Röntgenapparat zur Verfügung standen.

Mir wurde nahe gelegt, mich nach Hammerfest in das Spital zu begeben. Dieser Empfehlung kam ich nach und fuhr noch am gleichen Tag mit dem Bus wieder in den Norden.


Dort schlug ich mein Zelt direkt an der Küste auf, räumte am nächsten Morgen alles zusammen und schleppte mich bis zum Krankenhaus. Dort war alles sehr hektisch, glücklicherweise behandelte mich aber die einzige deutsche Ärztin und diese tat das aus Leidenschaft. Weil keine Beinschienen mehr vorhanden waren, nahm sie sich die Zeit, mir umgehend eine improvisierte und selbstgemachte Schiene zu basteln, mit den Materialien die ihr zur Verfügung standen. Die Zeit wurde mir nicht berechnet und ich war ihr zu tiefer Dankbarkeit verpflichtet.


Ich realisierte, dass es für eine Weile nicht weitergehen würde und ich dazu gezwungen war, eine längerfristige Pause einzulegen, mich auszuruhen und meinen Fuss ausheilen zu lassen.


Dass meine Isolationsmatte in der folgenden Nacht kaputt ging, war dabei keine besondere Hilfe.


Ich hatte in den folgenden Nächten kaum und sehr schlecht geschlafen. Ich war ständig gereizt und zwischenzeitlich am Limit angelangt.


Ich konnte meine Umstände jedoch akzeptieren und habe mich daran gewöhnt, dass sowieso nichts funktionierte, wie es geplant war.


In den letzten Tagen hatte ich viel Zeit mir Gedanken zu machen. Es war vieles komplett schief gelaufen. Es kam ein Rückschlag nach dem Anderen. Es war sehr schwierig den mentalen Fokus zu behalten und nach vorne zu schauen.


Ich weiss aus eigener Erfahrung, dass die richtige Einstellung Überlebens notwendig ist, besonders wenn man Tätigkeiten nachgeht, bei denen man alleine unterwegs ist und dabei immer wieder sein Leben riskieren muss.


Ich habe bereits vieler solcher Situationen überwunden und durfte daran wachsen.


Ein eiserner Wille, ein endloser Glaube an sich selbst und die Eigenschaft sich den Gegebenheiten anzupassen, ohne dabei in Unmut oder Panik zu geraten, ist dabei enorm wichtig.


Durch die Situation, dass ich pausieren musste, hatte ich nun neu gewonnene Zeit die ich anderen Dingen widmen konnte.


Ich lernte ein paar Worte norwegisch, tauschte mich mit den Einheimischen aus, hatte viele neue Leute kennenlernen dürfen, entspannte mich in der Sauna informierte mich über die Kultur, die Kulinarik und die Natur. Ich stellte den Menschen so viele Fragen wie möglich und besichtigte nahegelegene Sehenswürdigkeiten, so gut es mir die Umstände erlaubten.


Ich wurde krativ und hatte mir die Haare mit Einweg-Rasierer abgeschnitten, dafür benötigte ich lediglich eine Stunde. Ich habe weniger als einen Franken für die Rasierer bezahlt, das war folglich der günstigste Haarschnitt, den ich je hatte. Not macht erfinderisch.


Ich dachte über mein Vorhaben nach und wusste, dass ich auch an dieser Situation, keinesfalls scheitern würde und daran nur wachsen konnte.


Ich wollte euch die aktuelle Lage schildern und euch die Umgebung ein wenig näherbringen. Um es etwas zu veranschaulichen, werde ich euch noch ein paar Fakten darlegen.


Die Finnmark ist die nördlichste Provinz von Norwegen. Sie besitzt ca. 75'863 Einwohner (2019) auf eine Fläche von 48'618km². Das entspricht einer Bevölkerungsdichte von 1,5 Einwohnern pro Quadratkilometer. Interessant dabei ist ausserdem, dass sich nicht ganz die Hälfte der Einwohner auf folgende drei Orte verteilt: Alta mit 21'317 Einwohnern (2023), welche zugleich die Hauptstadt und den grössten Ort der Provinz darstellt, Hammerfest mit 11'310 Einwohnern (2023), welche als nördlichste Stadt Festlandeuropas gilt und Honningsvåg mit 2'237 Einwohnern (2022), der Ort der für mich komischerweise ebenfalls Stadtstatus besitzt und gleichzeitig den Hauptort der Insel Magerøya und der sich darauf befindenden Nordkappgemeinde darstellt.


Im Vergleich zur Finnmark besitzt die Schweiz lediglich eine Gesamtfläche von 41'285km².

Um die geringere Bevölkerungsdichte in Zahlen darstellen zu können, in der Schweiz ist Graubünden der am wenigsten dicht besiedelte Kanton mit 201'376 Einwohnern (2022) auf eine Fläche von 7'105km².

Das entspricht einer Bevölkerungsdichte von etwa 28,2 Einwohnern pro km².


Dazwischen liegen also Dimensionen, die man sich so zuerst mal bewusst werden lassen muss. Die unendliche Weite des hohen Nordens, ist für das Auge eines Schweizers kaum nachvollziehbar.


Die Endlosigkeit dieser atemberaubenden Landschaftszüge bedeuten Freiheit und zugleich Demut und Ehrfurcht, da man merkt, wie klein man als menschliches Individuum eigentlich ist.


Ich werde nun auch die nächsten Tage noch pausieren und erst wieder aufbrechen, wenn meine neue Isolationsmatte eintrifft und mein Fuss möglichst vollständig ausgeheilt ist.


Wunder kommen zu denen, die an sie glauben.


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Andrea Erne CH0076 1502 5100 6200 2

Ich bin dankbar für alles!




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